Kommentar: Smartphone-Konten - Warum ich mich dagegen verweigere
Das Smartphone als Bankkonto - dieser Trend zeichnet sich inzwischen immer mehr ab. Prominentestes Beispiel für diesen Weg ist sicherlich der Anbieter Number26, der in der jüngeren Vergangenheit nicht nur positive Schlagzeilen machte. Anfang Juni wurden plötzlich und ohne direkt ersichtlichen Grund zahlreiche Konten gekündigt. Auch Transaktionen über mit dem Number-Konto verbundene Maestro- und Mastercard-Karten funktionierten nicht. Es schloss sich ein beispielloses Kommunikationsdebakel inkl. des Löschens von kritischen Kommentaren auf der hauseigenen Facebook-Präsenz an, welches ebenfalls sicher nicht als vertrauensfördernde Maßnahme gelten kann. Gegenüber den Kollegen vom iPhone-Ticker rechtfertigte man sich schließlich vier Tage nach den Kündigungen mit der Begründung, dass die Besitzer der gekündigten Konten ihre Bankkarten überdurchschnittlich häufig für Bargeldabhebungen eingesetzt hätten. Konkret bedeutete dies rund 15 Abhebungen pro Monat. Dies würde Kosten für das Unternehmen verursachen, die der Großteil der Number26-Kunden tragen müssten, aber nur von einer kleinen Gruppe verursacht würden. Anscheinend ist man sich bei Number26 nicht ganz darüber im Klaren, dass derlei Bargeldabhebungen, egal in welcher Anzahl, eben zum Dienstleistungsangebot einer Bank dazugehören. Alternativ hätte man ja ab einer festgelegten Anzahl auch Gebühren per AGB erheben können. Die komplette Stellungnahme inkl. der Ankündigung einer Fair-Use Policy lässt sich hier einsehen.
Inzwischen darf Number26 sich sogar offiziell als "Bank" bezeichnen. So hat die Europäische Zentralbank dem in Berlin ansässigen Unternehmen kürzlich die entsprechende Lizenz erteilt, was dazu führt, dass Number26 fortan sämtliche Finanzservices selbst anbieten kann. Bislang hat man im Hintergrund im Rahmen einer Kooperation auf die Infrastruktur der Wirecard Bank gesetzt. Innerhalb von 12 Monaten möchte man nun bei Number26 Real-Time-Kredite und eine Erhöhung der Sicherheit "durch kuünstliche Intelligenz und Expense Sharing" einführen, wie ebenfalls die Kollegen vom iPhone-Ticker berichten. In diesem Zuge ändert sich auch der Name von "Number26" auf nur noch schlicht "N26", sicherlich nicht zuletzt, um sich damit auch ein Stück weit vom selbst eingebrockten Negativimage zu lösen, das dem Namen Number26 anhaftet.
Doch genau hier liegt aus meiner Sicht das Problem, das vielleicht auch ein Stück weit in einem Wandel der Gesellschaft begründet liegt. Während die Entscheidung bei einer Bank ein Konto zu eröffnen und ihr damit sowohl höchst sensible Daten, als auch das eigene Ersparte anzuvertrauen früher (und ja, ich fühle mich alt, wenn ich sowas schreibe...) vor allem geprägt war von Vertrauen, Erfahrung und Seriosität, zählen heute vor allem Aspekte wie Convenience und geringe bis gar keine Kosten. Geiz ist geil. Es wird vermutlich auch schon durchgeklungen sein, dass ich auch den aktuellen Hype um Pokémon GO kritisch sehe. Da wird vom Nutzer kurzerhand mal der Komplettzugriff auf das persönliche Google-Konto gewährt, nur damit man dabei sein kann. Risikobewusstsein? Fehlanzeige, ich will schließlich das Spiel spielen. Ja, die Entwickler haben kommuniziert, dass der Komplettzugriff lediglich ein Bug war und keine Daten gespeichert wurden. Kann man glauben, muss man aber nicht.
Ich persönlich halte diese komplette Entwicklung für überaus gefährlich, vor allem in Sachen Bankgeschäfte. Zumindest dann, wenn man Anbieter wie N26 als Beispiel nimmt. Per Wartelisten-Strategie versuchte man zum Start des Angebots Anfang vergangenen Jahres eine Art Hype um das nach eigener Aussage "modernste Girokonto Europas" und die "Bankfiliale der Zukunft" zu schüren. Kurz darauf fiel man durch falsche Mitarbeiter-Fotos auf. Die angeblich in unter acht Minuten abgewickelte Prüfung der Identita?t neuer Kunden per Videotelefonat ist nach meiner Auffassung auch nicht das, was man unter Sicherheit versteht.
Keine Frage, die Idee hinter N26 und ähnlich gelagerten Ansätzen ist moder, innovativ und passt in unsere Smartphone-geprägte Zeit. Hinzukommt, dass die hiesige Banken- und Sparkassenlandschaft ohne Frage als träge, altbacken und konservativ gesehen werden kann. Unter anderem kann man da auch das Beispiel Einführung von Apple Pay anführen. Nichts desto trotz hätte ich überhaupt, aber auch gar kein gutes Gefühl dabei, wenn ich meine Transaktionen einem Anbieter wie N26 (und der sei hier nur stellvertretend genannt) anvertrauen würde. Vielleicht gehöre ich da schon zu einer anderen Generation, aber mein Geld bleibt bei der guten, alten Sparkasse. Vertrauen ist alles. Das lasse ich mich dann auch gerne und ohne jede Reue Kontoführungs-, Karten- und Transaktionsgebühren kosten. Allerdings sollten sich auch die herkömmlichen Banken langsam mal aus ihrer Komfortzone heraus bewegen. Der Trend, wohin die Reise künftig gehen wird, zeichnet sich, wie oben bereits angedeutet, schließlich eindeutig ab.
Übrigens betrat am heutigen Tag auch ein neuer Anbieter das Spielfeld. So bietet inzwischen auch der Mobilfunkanbieter O2 ein Smartphone-Konto an. Über die neue App (kostenlos im AppStore) bietet O2 samit nach eigener Aussage nun das "erste komplett mobile Bankkonto eines Mobilfunkanbieters" an und lockt seine Mobilfunkkunden mit einem zusätzlichen monatlichen Datenvolumen von bis zu 500 MB - je nach Nutzung des neuen Kontos. Auch hier erfolgen Anmeldung und Legitimierung per Videotelefonie direkt auf dem Smartphone. Das Konto wird nach der erfolgreichen Legitimierung des Kunden sofort freigeschaltet. Wenige Tage erhält man dann die enthaltene kostenlose MasterCard per Post zugeschickt. Hiermit getätigte Umsätze werden umgehend gebucht, da es sich um eine reine Debitkarte handelt. Als Partner agiert in diesem Fall die Münchener Fidor Bank AG. Weitere Informationen und Gebühren kommuniziert O2 auf einer eigenen Webseite, sowie über ein entsprechendes Preisverzeichnis.
Zumindest in Sachen Kommunikation agiert O2 deutlich transparenter und glücklicher als der Wettvewerber N26. Ob einem dies oder einfach nur die Aussicht auf ein zusätzliches Datenvolumen ausreicht, O2 sein Geld anzuvertrauen, muss jeder für sich entscheiden.
Kommentare
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Leon am :
Flo am :
matthias am :
Die Kontrolle \374ber das Konto und nicht immer pers\366nlich bei der Bank aufkreuzen zu m\374ssen, finde ich klasse.
Was die Legitimation per Videochat angeht, so sehe ich das auch nicht als schlimm an. AmEx macht dies ebenso, als Alternative gibt es jedoch noch PostIdent.
Anonym am :
iMerkopf am :
Johannes am :
Klar ist es hip, dies mit kleingeld zu machen, aber wirklich wichtiges Verm\366gen (H\366he bei jedem anders)..... Ich glaube fintecs werden den Markt ver\344ndern und dann verschwinden....
Selbst apple pay: am ende ist es dann wieder eine klassische Kreditkarte....
Anonym am :
Mr-Fly am :
Ich habe die N26 Karte vor allem f\374r den Auslandseinsatz im nicht-Euro Land.
Dort zahlst du f\374r jede Transaktion bei der DKb 1,75%.
Bargeldabhebungen sind oft mit Automatengeb\374hren belegt, die man nicht mehr Bei der DKB einreichen kann.
Weiterhin mag ich eine Funktion bei der N26 MasterCard besonders, die direkte Push-Nachricht bei jeder Transaktion. Raffe eh nicht, warum sowas bei der DKb nicht m\366glich ist.
Das Einzige was ich nicht mache, ich lege nicht mein Hauptkonto zu denen.
Daf\374r sind sie mir zu unzuverl\344ssig
Adrian am :
Tommy1961 am :
ich kann Deine Einw\344nde voll nachvollziehen.
Okay, ich bin wahrscheinlich noch \344lter als Du und noch aktiv gegen die
letzte gro\337e Volksz\344hlung unterwegs gewesen.
Bin auch mit einer anderen Einstellung und mit Orwells 1984, in der
Schule, gro\337 geworden.
Habe dort auch schon, ab 1979, mit Computern angefangen und von
daher eine andere Einstellung zu meinen Daten und was damit
passieren darf.
Anonym am :
Anonym am :
Mr-Fly am :
Du hebst 200$ ab, er zieht 205$ von der DKB ein.
Auch in UK mittlerweile \366fter anzutreffen.
Anonym am :
Anonym am :
Ist auch durch die Presse gegangen.
Denke mal die werden in Einzelf\344llen oder in einer \334bergangszeit noch erstatten.
Habe ich fr\374her ja auch gemacht.
stefan am :
Norman am :
Als Sparkassenmitarbeiter habe ich eine andere Sicht auf die Dinge. Ein Konto ist weit mehr als eine App. Erst wenn man einen Service ben\366tigt, erkennt man, wie gut eine Bank/Sparkasse/Fintech ist.
StanMarsh am :
Naja, es zwingt Dich keiner N26 zu verwenden also warum sich dar\374ber aufregen? Nur weil es neu ist?
Tommy am :
James am :
Jsan am :
F\374r sowas hat man doch Fake-Accounts bei Google Plus oder Facebook? (Zus\344tzlich zum echten oder gleich anstatt).
sethyy am :
Die letzten nützlichen Erfindungen in den letzten 20 Jahren der Industrie sind der Bankautomat und das Onlinebanking. Das wars...... Im Erfinden von Finanzprodukten die man teuer verkaufen kann sind sie groß,warum findet diese Innovation nicht am Kunden orientierten Lösungen statt.
Tobias am :
Jonny am :
Diese Aktion w\374rde er bei Apple gut finden - warum?
Per Wartelisten-Strategie versuchte man zum Start des Angebots Anfang vergangenen Jahres eine Art Hype um das nach eigener Aussage "modernste Girokonto Europas" und die "Bankfiliale der Zukunft" zu sch\374ren.