Unter der Lupe: iCloud

Mail, Kontakte, Kalender
Diese drei (Web-)Apps gab es bereits unter MobileMe. Laut Steve Jobs wurden sie für iCloud noch einmal von Grund auf überarbeitet. Alle drei Apps sind nahtlos in OS X Lion und iOS 5 (Mail, Kalender, Kontakte) integriert und funktionieren dort auf die gewohnte Art und Weise. Die zugehörigen Web-Apps sind künftig unter icloud.com aufzurufen. Über das Aussehen, speziell von Kalender und Kontakte lässt sich streiten. Mir persönlich gefällt es nicht, aber das ist ja Geschmackssache. Bedienen lassen sie sich jedoch tadellos. Sämtliche gemachten Änderungen oder neuen Einträge werden, wenn eingestellt, direkt auf alle mit der gleichen Apple ID konfigurierte Geräte (egal ob iPhone, iPad oder Mac) synchronisiert. Dabei können Kalender nun auch mit anderen Personen geteilt werden, wodurch jeder Teilnehmer die Möglichkeit hat, Termine zu erstellen und diese auf die Geräte der anderen Teilnehmer zu pushen. Mail hat sich optisch am wenigsten verändert und wirkt durch seine schön-schlichte Erscheinung wie eine Desktop-Anwendung. Neue Nutzer erhalten eine @me.com Adresse, bestehende (MobileMe-) Kunden behalten ihre aktuellen @mac.com und @me.com Adressen. Auch hier werden neue Nachrichten direkt an alle Geräte gepusht und sämtliche Ordner synchron gehalten. Der Umzug von MobileMe zu iCloud wird im Web durchgeführt, von einem Assistenten begleitet und hat in meinem Fall reibungslos funktioniert. Bei diesen drei Apps hat sich also, abgesehen von der Optik bei Kalender und Kontakte, recht wenig geändert. Speziell Mail und, abgesehen von der Optik, Kalender gefallen mir sehr gut. Kontakte nutze ich hingegen eher wenig, weswegen ich mich mit einem Urteil hier zurück halte.
Apps und Bücher
Diese beiden neuen Funktionen lassen sich auch bereits in der aktuellen Version von iOS 4.3 nutzen. Wie auch schon vor iCloud lassen sich einmal erworbene Apps und Bücher auch weitere Male ohne zusätzliche Kosten mit demselben iTunes Account erneut aus dem jeweiligen Store herunter laden. Mit iCloud gibt es hierfür nun einen neuen Bereich im AppStore (unter "Updates"), bzw. im iBookstore (unter "Gekaufte Artikel"), wo die bereits erworbenen Artikel mit einem iCloud-Symbol gekennzeichnet sind. Ein Tap hierauf lädt den Artikel dann erneut kostenlos auf das jeweilige Gerät herunter. Dies funktioniert auch in der aktuellen Version von iTunes. Zusätzlich kann man alle seine Geräte so konfigurieren, dass auf einem Gerät geladene Inhalte automatisch auch von allen anderen entsprechend konfigurierten Geräten geladen werden. Sowohl auf den iOS-Geräten, als auch in iTunes geschieht dies über den Manüpunkt Einstellungen > Store. Bei Büchern werden künftig zudem Lesezeichen und aktuelle Leseposition über die iCloud synchronisiert, was wirklich hilfreich ist, wenn man iBooks auf mehreren Geräten (und bald auch in iTunes?) liest. Insgesamt hat Apple mit diesen beiden iCloud-Apps den eingeschlagenen Weg konsequent und nutzerfreundlich weiterentwickelt, wenngleich die Übersicht der geladenen Apps auf den iOS-Geräten hätte deutlich übersichtlicher gestaltet werden können. Trotzdem eine tolle Funktion.
Fotostream
Genau das, nämlich dass es eine tolle Funktion ist, kann ich über Fotostream leider nicht sagen. Und das, obwohl dies angeblich die Lieblings-iCloud-Funktion von Steve Jobs ist. Die Idee von Fotostream ist, dass man mit einem beliebigen (iCloud-fähigen) Gerät ein Foto oder ein Video erstellt, welches darauf in der Fotos-App landet und von dort automatisch in die iCloud geschoben wird. Auch das manuelle Hochladen von bestehenden Fotos in Fotostream ist möglich. Von hier aus wiederum werden sie dann auf alle anderen entsprechend konfigurierte Geräte gepusht. Zu diesen Geräten gehören dann auch der Mac (inkl. iPhoto 9.2) und Apple TV. Fotostream speichert dabei die Fotos der letzten 30 Tage in der iCloud. Um sie anschließend dauerhaft zu behalten, müssen sie auf dem Mac oder dem iOS-Gerät in ein Offline-Album verschoben werden. Mein Problem mit dieser Funktion ist, dass man nicht einzelfallbasiert entscheiden kann, ob das jeweilige Foto (oder Video) in Fotostream erscheinen soll, oder nicht. Hat man es geschossen, wird es automatisch in die Cloud geschoben, von wo aus es anschließend auch nicht wieder einzeln entfernt werden kann. Aus meiner Sicht ist dies in der aktuellen Form katastrophal, da es dem User jede Eingriffs- und Entscheidungsmöglichkeit nimmt. Und sind wir mal ehrlich, nicht jedes Foto ist dafür geeignet, auf einen Server irgendwo in den USA hochgeladen (und automatisch auf andere Geräte gepusht) zu werden. Apple hin oder her, so nutze ich diese Funktion definitiv nicht.
Backup
Backup ist ein wesentlicher Teil von Apples Bestreben, die iOS-Geräte "PC-free" zu machen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die anderen in iOS 5 integrierten iCloud-Funktionen, bei kaum einer anderen wird dies aber so deutlich, wie bei Backup. Bislang war der gewohnte Weg, dass iTunes automatisch ein Backup des iOS-Geräts erstellte, sobald man es (kabelgebunden) mit dem Rechner synchronisierte. Wahlweise kann dies nun auch (kabellos) in der iCloud geschehen. Dabei wird automatisch einmal pro Tag ein Backup in die iCloud geschickt. Dieses enthält sämtliche erworbene Musik, Apps und Bücher, die Inhalte der Fotos-App, die Geräteeinstellungen und sämtliche App-Daten (z.B. Spielstände, etc.). Besonders wenn man sein iOS-Gerät künftig "PC-free" und eventuell unterwegs, fernab jedes Rechners das Betriebssystem aktualisiert, kann dies ein echter Lebensretter sein. Denn sollte bei dem Update etwas schiefgehen, hat man das Backup aller relevanten Daten jederzeit über die iCloud im Zugriff. Ich persönlich habe zwar das Backup auch immer noch gerne auf meinem Rechner, aber die Idee dahinter, vor allem vor dem Hintergrund der "PC-free"-Bestrebungen, ist absolut zu begrüßen.
Dokumente in der Cloud
Steve Jobs ist schon seit Jahren bestrebt, vom altbekannten Muster der Dateisysteme weg zu kommen. Vermutlich ist dies auch ein Grund, warum es nach wie vor in iOS keine Möglichkeit gibt, eben auf das Dateisystem zuzugreifen. Stattdessen sollen Apps die zu ihnen gehörenden Dateien verwalten. Ein weiterer Schritt auf dem Weg dorthin ist auch "Dokumente in der Cloud". Dieser Teil von iCloud ist momentan allerdings noch auf einen sehr überschaubaren Bereich von Apps ausgerichtet, nämlich ausschließlich auf die, sowohl unter OS X, als auch unter iOS verfügbaren, iWork-Apps. Da Apple allerdings die API für diese Funktion auch den Entwicklern zur Verfügung stellt, dürften schon bald weitere Anwendungen folgen. Die Idee dahinter besteht darin, die von Kontakte und Kalender bekannte Synchronisierung (s.o.) auch auf Dokumente zu übertragen. Ein Beispiel: Erstelle ich ein iWork-Dokument auf einem iOS-Gerät oder einem Mac, wird dieses beim Schließen der App automatisch in die iCloud geschoben und beim Öffnen derselben App auf einem anderen Gerät (egal ob Mac oder iOS) automatisch dort heruntergeladen. Somit soll sichergestellt werden, dass alle Dokumente jederzeit auf jedem Gerät zur Verfügung stehen. Übrigens lassen sich die iWork-Dokumente in der iCloud auch über die Weboberfläche erreichen. Ich persönlich betrachte dies, ähnliche wie Fotostream ein wenig kritisch. Das Problem bei der aktuellen Fassung der Funktion ist aus meiner Sicht, dass man (wie bei Fotostream) nicht dokumentenbasiert entscheiden kann, ob das jeweilige Dokument in die iCloud geschoben werden soll. Stattdessen kann dies momentan ausschließlich global, also für alle Dokumente der App konfigurieren. Möglich ist allerdings, dass andere Entwickler dies in ihren Apps anders lösen und auch eine dokumentenbasierte Entscheidung anbieten. An dieser Stelle ein kleiner Einschub in eigener Sache. Auch meine App zum Blog wird ab Herbst eine ähnlich gelagerte iCloud-Funktion enthalten. Lasst euch überraschen.
iTunes in der Cloud
Last but not least kommen wir zu meiner Lieblingsfunktion von iCloud: iTunes in der Cloud. Doch auch hier die schlechte Nachricht vorweg. Vermutlich aufgrund von Lizenzgeschichten wird diese Funktion zum iCloud-Start ausschließlich in den USA zur Verfügung stehen. Bleibt zu hoffen, dass die GEMA endlich von ihrem hohen Ross herunter kommt und an die Mediennutzer denkt. Inhaltlich kann ich es nämlich kaum erwarten, diese Funktion produktiv einzusetzen. Im Prinzip verbergen sich dahinter eigentlich zwei Funktionen. Die eine lässt sich mit dem bereits oben angesprochenen "Apps und Bücher" gleichsetzen. Jede Musik die ich jemals im iTunes Store erworben habe, kann ich mit "iTunes in der Cloud" erneut auf jedem mit derselben Apple ID konfigurierten Gerät (maximal 10) ohne weitere Kosten herunterladen. Um der unkontrollierten Weitergabe der Inhalte entgegenzuwirken, kann ich allerdings nur einmal alle 90 Tage die hierfür verwendete Apple ID wechseln. Ebenso kann ich meine Geräte wie auch oben schon angesprochen so konfigurieren, dass neu gekaufte Musik automatisch von allen anderen Geräten ebenfalls geladen wird. Die darüber hinausgehend vielleicht noch viel bessere Funktion nennt sich "iTunes Match" ud war Steve’s "One more thing" auf der WWDC. Hierbei handelt es sich um die einzige kostenpflichtige Funktion von iCloud. Allerdings sind die zu berappenden $ 25,- pro Jahr aus meiner Sicht mehr als gut angelegt. iTunes Match kümmert sich nämlich um alle Titel in der eigenen iTunes-Mediathek, die nicht über den iTunes Store erworben wurden, sondern von eigenen CDs oder aus anderen Quellen stammen. Diese werden mit den 18 Millionen im iTunes Store verfügbaren Songs verglichen. Sollte ein Song nicht im iTunes Store verfügbar sein, wird er automatisch auf die Apple Server hochgeladen. Anschließend stehen all diese Songs über die oben angesprochenen "iTunes in der Cloud"-Funktionen auf allen Geräten zum erneuten Download zur Verfügung. Und das in 256 kbps AAC DRM-freier Qualität. Ich hatte inzwischen die Gelegenheit, diese Funktion mit meinem US iTunes-Account zu testen und es funktioniert wirklich toll! Aus meiner Sicht wirklich die beste aller iCloud-Funktionen. Hoffen wir, dass sie auch bald nach Deutschland kommt.
Allgemeines
Als Steve Jobs auf der diesjährigen WWDC iCloud vorstellte, begann er
seine Präsentation mit den Worten "viele Leute verstehen unter Cloud
Computing das Speichern von Dateien im Internet". Dies ist allerdings
erstens nicht wirklich die Grundidee des Cloud Computing und zweitens auch
nicht Apples Anspruch. Stattdessen bewirbt man iCloud mit den Worten
"iCloud speichert deine Musik, Fotos, Apps, Kalender, Dokumente und
mehr. Und pusht alles drahtlos an all deine Geräte – ganz automatisch."
Und genau das bringt es auf den Punkt - mit allen positiven und
negativen Effekten. Wie
bereits erwähnt, ist iCloud ein grundsätzlich kostenloser Dienst für
die oben betrachteten neun Kernfunktionen. Darin enthalten sind 5
GB Cloud-Speicher für Mail, Dokumente und Backups. Wem 5 GB zu wenig vorkommen, dem sei gesagt, dass hierauf weder Musik, noch Bücher, Apps und Fotostream zu Buche schlagen. Sollte trotzdem mehr Speicher benötigt werden, kann dieser gegen eine Jahresgebühr hinzu gebucht werden. Dabei liegen die Preise für 10 GB bei € 16,-, für 20 GB bei € 32,- und für 50 GB bei € 80,- pro Jahr.
Fazit
iCloud wird zusammen mit iOS 5 innerhalb der kommenden Wochen veröffentlicht. Das was Entwickler bereits jetzt zu sehen und testen bekommen macht auf jeden Fall schon einmal einen sehr guten, stabilen und ausgereiften Eindruck. Fest stehen dürfte ohnehin, dass sich Apple bei iCloud mächtig ins Zeug legen
wird um den komplett verpatzten Start von MobileMe, über den Steve Jobs
sagte "It wasn’t our finest hour.", vergessen zu machen. Durch den Wegfall der Jahresgebühr wie es sie noch bei MobileMe gab und die direkte Integration in iOS 5 und OS X Lion wird den Nutzern der neue Dienst fast schon "aufgedrängt". Allerdings hat man natürlich jederzeit die Chance, iCloud komplett oder teilweise zu deaktivieren. Viele der neuen und alten Funktionen gefallen mir gut. Allerdings sehe ich auch den einen oder anderen problematischen Aspekt, insbesondere, wie oben angesprochen, bei Fotostream und Dokumente in der Cloud. Meine Kritik geht dabei, ähnlich wie bei meiner Kritik an OS X Lion, vor allem dahin, dass Apple den User hier an manchen Stellen entmündigt. Nicht entscheiden zu können, welche Fotos und Dokumente in die iCloud gepusht werden, ist schlicht und ergreifend ein No-Go. Auf der anderen Seite steht mit iTunes in der Cloud und vor allem dem darin enthaltenen iTunes Match eine absolute Killer-Funktion auf die ich mich schon mächtig freue. Alles in allem dürfte iCloud nach jetzigem Stand meiner Meinung nach ein voller Erfolg werden. Zumindest wenn Apple aus den Fehlern des MobileMe-Starts gelernt hat. Und wer weiß, vielleicht hat man in Cupertino ja noch ein Einsehen und bessert die von mir (und auch anderen in den Developer Foren) angesprochenen Probleme irgendwann noch aus.
Kommentare
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Burak am :
Flo am :
Burak am :
Damien am :
Sven am :
Rogerg30 am :
mm4star am :
Peter am :
Welchen Vorteil bietet mir das ständige Synchron halten meiner Mails im Gegensatz zur Imap - Einstellung der Mails?
Gibt es da überhaupt einen Unterschied, abgesehen davon dass ich auf meine Mails auch über den Browser zugreifen kann, was ich persönlich nicht benötige?
Mit der Imap - Einstellung sind doch meine Mails jetzt schon auf allen Geräten synchron!
Ansonsten -> iCal in der Cloud wird höchste Zeit ;-)
KreWo am :
Einige der MobileMe-Funktionen, welche wegfallen, werde ich wohl vermissen, iDisk (wird dann durch die intensivere Nutzung der Dropbox ersetzt), iWeb (keine Ahnung, womit man das ersetzen kann) und Galerie (wahrscheinlich wird es als Ersatz Picasa)...
Tom am :
Ich werde mit mein update auf ios5 ersteinmal warten.
Icloud scheint mir einwenig zu unsicher...
iHorstK am :
eine äußerst informative & m. E. auch objektive Zusammenfassung dessen, was dem nicht-Developer-Account-Inhaber bislang nur spekulativ (bezügl. iOS 5/iCloud) vorschwebte!
Auch die beschriebene & hier darauf verwiesene Kritik an OS X Lion konnte ich nicht nur nachvollziehen, sondern in weiten Bereichen teilen!
Über wenige andere Seiten, Blogs, Foren & dahingehend portierte Apps fühle ich mich so objektiv aufgeklärt & beraten, wie bei Dir via Flo's Weblog!
Es wird mir eine weitere kleine Spende wert sein!
Joerg am :
passi am :
Flo am :
Cemoi am :
Dominik am :
Egal, mal schauen. Auf jeden Fall sehr guter Artikel
Thomas am :
Die Artikel in denen du Stellung beziehst gefallen mir immer am besten. Gerne mehr davon - und dafür weniger Gerüchtequark. (Wobei du den ja mittlerweile weitestgehend zusammenfasst) :)
LG
Mirko am :
Ich stelle mir grade vor, wie beu einigen Pärchen, die ihre iPhones über die selbe ID laufen lassen, die Daten ausgetauscht werden. Er findet plötzlich die als PDF gespeicherte Rechnung eines Online-Schuh-Versands über 300,- für ein Paar Übergangsschuhe, und bei ihr tauchen die Freundin seiner Ex auf. Großartig!
Aber im Ernst, meine Vorfreude beschränkt sich auf iCal in der Cloud und einem kabellosen Sync. Einzelne Dokumente pushen könnte ich mir auch noch vorstellen, aber dann hört es auch auf. (Mails über IMAP)
Was ich nicht verstehe, ist der Entfall von iWep. Aber es wird doch möglich sein, dies von der iLife wieder zu installieren, oder ???
Mirko am :
Flo am :
Marcel am :
Flo am :