Kommentar: Bleibt die WWDC nach der Coronakrise beim Onlineformat?
Die Coronakrise hat die Welt momentan komplett im Griff. In vielen Ländern herrschen Ausgangsbeschränkungen, Schulen und Universitäten sind geschlossen, Sportveranstaltungen wurden abgesagt und auch die traditionell im Sommer stattfindenden Entwicklerkonferenzen der großen Konzerne im Silicon Valley werden in diesem Jahr nicht in ihrer gewohnten Form stattfinden. Für die Unternehmen entfällt damit eine medienwirksame Möglichkeit, neue Entwicklungen und Produkte vorzustellen. Um diese Möglichkeit auch weiter so gut es geht aufrecht zu erhalten, werden verschiedene Konferenzen statt in Präsenzform nun online ausgerichtet. Zumindest dort, wo man so etwas für möglich hält. Google hat beispielsweise inzwischen angekündigt, dass die hauseigene Entwicklerkonferenz I/O in diesem Jahr gar komplett entfallen wird.
A #GoogleIO update: Out of concern for the health and safety of our developers, employees, and local communities — and in line with “shelter in place” requirements by the local Bay Area government — we sadly will not be holding an I/O event in any capacity this year. (1/3)
— Google Developers (@googledevs) March 20, 2020
Dieses Schicksal dürfte Apples Entwicklerkonferenz WWDC nicht drohen. In Cupertino hat man bereits angekündigt, dass man das Event in diesem Jahr in einem Onlineformat ausrichten wird. Und irgendwie fühlte man sich bei dieser Ankündigung an Mitte November vergangenen Jahres erinnert. Damals kündigte Apple relativ überraschend ein Event für Anfang Dezember an, auf dem es um die besten Apps und Spiele des Jahres 2019 gehen sollte. Kurz darauf legte man dann noch einmal mit einem Update für die bisherige WWDC-App nach, die fortan auf den Namen "Apple Developer" hört. Schon damals wurde spekuliert, ob sich eventuell mehr hinter diesen Schritten verbirgt. Der bekannte Apple-Journalist Mark Gurman orakelte sogar über das Ende der Marke WWDC.
Wonder if “WWDC” branding is done. Apple Developer Conference? Worldwide Developers Conference is an outdated name. They no longer need to flaunt they have developers globally and most people don’t know what WWDC means. https://t.co/vzP5FLzp1o
— Mark Gurman (@markgurman) November 19, 2019
Spulen wir man ein knappes Jahr vor, befinden wir uns mitten in der Coronakrise und Apples damalige "Vorbereitungen" erscheinen auf einmal in einem schon beinahe hellseherischen Licht. Apple ist auf die aktuelle Situation ganz offensichtlich besser aufgestellt als die meisten seiner Konkurrenten. Über die jahrelangen Erfahrungen, eigene Veranstaltungen ins Internet zu streamen und die neue Developer-App kann Apple die WWDC relativ kurzfrisitg auf das neue Onlineformat umstellen. Die Frage ist, wie es mit der Entwicklerkonferenz weitergeht, wenn die Coronakrise überwunden ist.
Über die vergangenen Jahre hinweg hat sich die WWDC von einer Art Community- zu einer Massenveranstaltung entwickelt - und zu Apples wichtigstem Event des Jahres. Dies sorgt inzwischen allerdings auch für jede Menge Zeitdruck. Die WWDC ist Apples letzte verbliebene fixe Veranstaltung im Jahreskalender und findet traditionell Anfang Juni statt. Bei dieser Gelegenheit hat es sich eingebürgert, dass Apple die neuen Versionen von iOS und macOS präsentiert, die dann im Herbst desselben Jahres in der finalen Version erscheinen. Genau dieser feste Rhythmus könnte nun aber in der Tat über Wohl und Wehe der WWDC entscheiden.
Nicht zum ersten Mal sieht sich Apple in diesem Jahr wieder größerer Kritik ob seiner zuletzt schwächelnden Software-Qualität ausgesetzt. Die frühen Versionen von iOS 13 und macOS Catalina enthielten doch noch eine störende Menge an gröberen Fehlern, die zu Unmut bei den Nutzern führten. Zuletzt hatte Apple beim neuen 16" MacBook bereits gezeigt, dass man sich die Nutzerkritik durchaus zu Herzen nimmt. Dies könnte nun dazu führen, dass möglicherweise eine Abkehr vom jährlichen Rhythmus der großen OS-Updates ins Haus steht. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, würde auch der feste Termin der WWDC und ihre Durchführung als Präsenzveranstaltung seine Daseinsberechtigung verlieren.
Je nachdem wie sich das neue Format in diesem Jahr bewährt, ist es also vermutlich nicht mehr ausgeschlossen, dass Apple die Onlinevariante der WWDC zum Standard macht. Apples Entwickler stammen inzwischen aus der ganzen Welt und müssten teilweise größere Reisen auf sich nehmen, um an der Veranstaltung in Kalifornien teilzunehmen. Überhaupt reichen die Location-Kapazitäten im McEnery Convention Center in San Jose schon lange nicht mehr aus und interessierte Entwickler müssen auf Glück in einem Losverfahren hoffen, um überhaupt an der WWDC teilnehmen zu können.
Hinzu kommt, dass das klassische Geschäft mit dem Mac, dem iPhone und dem iPad, momentan die mit Abstand noch größten Geschäftsbereiche, für Apple mittelfristig wohl an Bedeutung verlieren wird. Stattdessen entwickelt sich das Unternehmen aktuell eher in Richtung eines Dienstleisters für multimediale Cloud-Angebote. Auch die Aktualisierung des iPhone im Jahresrhythmus, derzeit stets im Herbst für das dann nahende Weihnachtsgeschäft, könnte hiervon betroffen sein und sich möglicherweise irgendwann ändern. Momentan ist die Veröffentlichung des neuen iPhone noch recht eng an die große neue iOS-Version gekoppelt, was Apple durchaus künftig ändern könnte. Auch die Loslösung von iPadOS on iOS könnte hier ein Indiz sein, dass sich Apple eventuell unabhängig von gewohnten Aktualisierungszyklen machen möchte.
Spekuliert wird darüber hinaus auch, ob sich Apple möglicherweise schlicht und einfach vom inzwischen ein wenig altbacken klingenden Namen WWDC (World Wide Developers Conference) lösen und dem aktuellen Trend folgend auch hier das Apple-Branding unterbringen möchte. "Apple Developers Conference" wäre da eine Möglichkeit, wie es Gurman bereits spekulierte. Allerdings gilt bei dieser Spekulation zu beachten, dass es innerhalb der neuen "Apple Developer" App auch weiterhin einen WWDC-Tab gibt. Diesen in einer künftigen Version der App umzubenennen wäre allerdings ein Leichtes für Apple.
Was Apple, sollte es tatsächlich interne Überlegungen über eine Neuausrichtung der Entwicklungs- und Developer-Strategie geben, natürlich genau abwägen, welche Lawine man lostreten würde. Die WWDC ist ein liebgewonnenener Termin im Jahr eines jeden Apple-Jüngers und gerade bei einer emotional so aufgeladenen Marke wie Apple ist der Bruch mit Traditionen immer kritisch zu betrachten. Aber wie gesagt, momentan ist das alles nur reine Spekulation. Möglicherweise bleibt auch alles beim Alten. Allerdings kann man davon ausgehen, dass nichts bei Apple unüberlegt oder zufällig geschieht. Also werden wir abwarten müssen, wie sich das neue Format bewährt und ob Apple dies tatsächlich dazu verleitet, seine Entwicklerkonferenz künftig ausschließlich online abzuhalten.
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