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App-Chaos bei den Vorwahlen in Iowa: Ein Appell gegen die Einführung von Online-Wahlen

Im US-Bundesstaat Iowa begannen in der vergangenen Nacht die Vorwahlen für die US-Präsidentschaftswahlen später in diesem Jahr. Die meisten werden es vermutlich mitbekommen haben, dass sich vor allem die Herausforderer von den Demokraten dabei alles andere als mit Ruhm bekleckert haben. Grund hierfür war vor allem der Einsatz einer Caucus-App, über die die Wahlergebnisse erfasst, ausgewertet und übermittelt werden sollte. Zum Hintergrund: Laut Wikipedia bezeichnet "Caucus" eine Versammlung der Mitglieder und Anhänger einer Partei oder politischen Gruppierung, häufig zur Vorwahl eines Kandidaten für hohe politische Ämter. Dies wurde in den USA bislang so gehandhabt, dass sich die Unterstützer der verschiedenen Bewerber in jeweils einem Bereich eines Raums versammeln und somit ihre Unterstützung zum Ausdruck bringen. Jeder Kandidat, der nicht mindestens 15% der Anwesenden hinter sich bringen kann scheidet aus und die Unterstützer sollen sich einem anderen Bewerber anschließen. Am Ende werden die Unterstützer gezählt und das Ergebnis kummuliert an den Parteivorsitzenden übermittelt.

Letzteres geschah in der Vergangenheit per Telefon. In diesem Jahr wollte man nun einen "moderneren" Weg gehen und entschied sich für den Einsatz einer App. Diese sollte nicht nur die Stimmen erfassen, sondern auch die Ergebnisse übermitteln. Anders als in der Vergangenheit sollten dabei auch Zwischenergebnisse weitergegeben werden. Genau dies sorgte allerdings für die peinliche Situation, dass man die Ergebnisse eben nicht zeitnah übermitteln konnte, da nach Informationen der New York Times drei verschiedene Probleme aufgetreten sind:

  1. Es gab nie eine Sicherheitsüberprüfung der App um sicherzustellen, dass die Ergebnisse nicht manipuliert werden können.
  2. Es gab offenbar keine Nutzer-Tests um die intuitive Bedienung der App sicherzustellen.
  3. Die Offiziellen, die mit der App arbeiten sollten, erhielten ebenfalls keine Einweisung in die App.

Man muss sich schon wundern, wie derlei Probleme in dem wohl hoch-technologisiertesten Land der Erde auftreten können und wie es die Demokraten auf diese Weise schaffen, sich selbst sogar noch dusseliger darzustellen, als es der aktuelle Amtsinhaber tut.

Doch der Reihe nach. Die NYT führt den Cybersecurity-Direktor der Heimatschutzbehörde Homeland Security ins Feld, der angibt, dass die eingesetzte App seiner Behörde zu keiner Zeit zur Prüfung vorgelgt wurde. Genau dies bemängeln auch verschiedene Cybersecurity-Experten gegenüber der Zeitung.

Zum zweiten Punkt zitiert die NYT den Computer-Spezialisten des Lawrence Livermore National Laboratory David Jefferson mit den Worten:

"This app has never been used in any real election or tested at a statewide scale and it’s only been contemplated for use for two months now."

Der Polk County Chairman Sean Bagniewski ergänzt, dass er bereits vor Wochen darauf hingewiesen hatte, dass die App vorab im großen Stile getestet werden müsse, möchte man am Abend der Vorwahlen nicht in Probleme laufen. Dies sei vor allem vor dem Hintergrund wichtig, dass einige der Wähler sich vorher noch nie mit Apps und solchen Dingen auseinandergesetzt hätten:

"When you have an app that you’re sending out to 1,700 people and many of them might be newer to apps and that kind of stuff, it might have been worth doing a couple months’ worth of testing."

Last but not least kannten sich auch die Offiziellen mit der App nicht aus. Zwar gab es im Vorfeld der Vorwahlen verschiedene Trainings zur Auszählung der Stimmen, die eingesetzte App war jedoch nie ein Teil davon, wie Zach Simonson, der Parteivorsitzende in Wapello County angibt. Einige der Wahlmänner hatten die App zum Zeitpunkt der Vorwahlen noch nicht einmal heruntergeladen:

"The app wasn’t included in the chair training that everyone was required to take."

All dies führte zu einem riesigen Chaos bei der Erfassung, Auswertung und Ermittlung der Stimmen. An einigen Orten wo man Zahlen erfasst und vermeldet hatte, gab es Inkonsistenzen zwischen den Ergebnissen der drei Wahlstufen. Bei den Demokraten ist man bemüht, darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um ein Übermittlungsproblem handelt und die korrekten Zahlen sicher erfasst wurden und vorliegen würden. 

Ob dies der Wahrheit entspricht ist dabei schon beinahe nicht mehr wichtig. In einer Zeit, in der ausländische Regierungen in die Wahlen anderer Länder durch Manipulationen oder Meinungsmache eingreifen, muss ein solcher Vorfall der Todesstoß für sämtliche Überlegungen sein, Wahlstimmen künftig online abgeben und erfassen zu lassen. Diese Ansicht vertrete nicht nur ich, sondern unter anderem auch der von der New York Times zitierte Professor für Computerwissenschaften und Recht, Matt Blaze, aus Georgetown und sein Kollege J. Alex Halderman von der University of Michigan teilen:

[...] Any type of app or program that relies on using a cellphone network to deliver results is vulnerable to problems both on the app and on the phones being used to run it, he said.

"The consensus of all experts who have been thinking about this is unequivocal," Mr. Blaze added. "Internet and mobile voting should not be used at this time in civil elections."

Any technology, he said, should be tested and retested by the broader cybersecurity community before being publicly introduced, to test for anything ranging from a small bug to a major vulnerability.

"I think the most important rule of thumb in introducing technology into voting is be extremely conservative," he said […]

J. Alex Halderman, a professor of computer science at the University of Michigan said, "This is an urgent reminder of why online voting is not ready for prime time."

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Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

WGS am :

Solche Pannen sind zu verschmerzen, das Niveau der W\344hler allerdings nicht.

Anonymous am :

Zum Gl\374ck ist es in Deutschland besser \ud83d\ude02\ud83e\udd26\u200d\u2640\ufe0f

WGS am :

Zum Gl\374ck hat die Wahl in Deutschland nicht solche Auswirkungen.\ud83e\udd10

Anonymous am :

Stimmt, eine Wahl in Deutschland hat gar keine Auswirkungen \ud83d\ude02\ud83e\udd26\u200d\u2640\ufe0f

SOE am :

Das ist eben der Unterschied zwischen Optimismus und Realität und der Grund, warum das Bundesverfassungsgericht praktisch bei Wahlen jeder Papieralternative eine Absage erteilt hat.

Am spannendsten ist doch aber nicht das Chaos, sondern die Tatsache, dass die Entwicklung und Einführung dieser App nicht ernster genommen wurde als bei jeder anderen App.

Sicherheitsprüfung? Brauchen wir nicht.
Tests? Kosten nur Geld.
Schulungen? App bedienen kann doch jeder.

Ich würde mir wünschen, wenn die Aspekte Sicherheit, Benutzerfreundlichkeit und Nachkontrolle immer als Bollwerk gegen jede Neuerung stehen würden. Und dass man diese Aspekte durchleuchtet und nicht mit Phrasen ala "Absolute Sicherheit gibt es nicht" abtut.

Denn was den Amerikanern ihre Wahlen sind, sind den Deutschen ihr elektronisches Anwaltspostfach. Keinen Deut besser als die Yankees.

Bernd am :

Flo, guter Artikel! Stimme voll zu. \ud83d\udc4d

Maik am :

Ich dachte bei \u201eVorwahlen\u201c erst an was anderes.

Titangeld am :

Wie kommt Flo darauf, dass die USA das \u201ewohl hoch-technologisiertesten Land der Erde\u201c sind? So ein Quatsch. Da liegen einige L\344nder weit vor den USA.

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