Kommentar: Google Street View

Wie bereits eingangs erwähnt ist das größte Problem vermutlich gar nicht Street View selbst, sondern das tendenziell negative Image des Anbieters Google. Und fast hat man den Eindruck, als ob man im kalifornischen Mountain View alles daran setze, dieses Image auch noch zu pflegen. Aber warum ist dieses Image eigentlich so schlecht? An und für sich könnte man meinen, Google sei der große Wohltäter im Internet. Bei Google ist schließlich alles kostenlos: Suchmaschine, E-Mail-Dienst, RSS Feed-Aggregator, der Bilderdienst Picasa, onlinebasierte Office-Programme unter dem Namen Google Apps, Google Maps oder auch YouTube. Wie aber kann Google all diese Dienste kostenlos anbieten? Die Antwort lautet, indem man die Währung verschiebt. Hier zahlt der Anwender nicht mit harter Währung, sondern mit seinen persönlichen Daten auf deren Basis Google dann personalisierte Werbung anbieten und an Unternehmen verkaufen kann. Und genau hier beginnt das Problem. Während man ziemlich genau weiß was passiert, wenn man jemand anderes einen € 10,- Schein in die Hand drückt, weiß man weniger genau, was mit den eigenen Daten passiert, wenn man sie Google in die Hand gibt.
Besonders unter den Internetnutzern ohne technischen Hintergrund sorgt dies für Unsicherheit. Und auch ich, der ich mich inzwischen seit über zehn Jahren beruflich mit dem Thema Informatik beschäftige, habe meine Vorbehalte gegenüber dem Suchmaschinen-Riesen aus Kalifornien. Den aus technischer und funktioneller Sicht durchaus guten E-Mail Service Google Mail meide ich vor allem deswegen, weil Google offen zugibt, das Mails von den Firmencomputern mitgelesen und ausgewertet werden, um Kontextbezogene Werbung einblenden zu können. Gegen den Google Reader habe selbst ich als Blogger, der auf RSS-Feeds nunmal angewiesen ist, mich ebenfalls lange hartnäckig gewehrt. Schließlich kann aus den abonnierten Feeds auf perfekte Art und Weise ein Profil erstellt werden, aus dem bestimmte Interessen und Vorlieben hervorgehen. Will ich aber, dass Google da wirklich drüber Bescheid weiß? Was passiert mit diesen Informationen?
Transparenz wäre hier das Zauberwort. Doch genau daran hapert es. Niemand weiß genau, wie viele und was für Daten auf den Google-Servern lagern und was genau damit geschieht. Diese Unsicherheit schlägt nun auch bei Street View durch. Und auch hier wäre Transparenz hilfreich gewesen. Doch statt zunächst die Vorzüge von Street View zu zeigen, wurden direkt die inzwischen berühmten Kamerawagen losgeschickt, um zunächst Deutschlands größere Städte und schließlich auch ländliche Gegenden einigermaßen ungefragt zu fotografieren. Resultat waren entrüstete Kommentare von Kritikern und Politikern, sowie eine noch mehr wachsende Unsicherheit bei den Nutzern. Doch an welcher Stelle bin ich persönlich eigentlich von Google Street View betroffen?
Auf den Fotos die Google schießt, ist es natürlich unvermeidbar, dass hier und da auch Menschen mitfotografiert werden. Während es einigen herzlich egal sein dürfte, ob sie gerade beim Shopping oder Fahrradfahren fotografiert wurden und dies dann hinterher im Internet zu sehen ist, möchten andere dies nicht. Und das ist auch ihr gutes Recht. Google setzt daher eine Gesichtserkennungssoftware ein, die die Gesichter von mitfotografierten Personen unkenntlich macht. Gleiches gilt übrigens beispielsweise auch für Kfz-Kennzeichen. Natürlich kommt es immer mal vor, dass dabei ein Gesicht oder ein Kennzeichen übersehen wird. In einem solchen Fall hat man die Möglichkeit, dies bei Google zu melden und manuell nachholen zu lassen.
Ein an vielen Stellen in den Medien genannter Punkt ist zudem die Gefahr, dass Kriminelle den neuen Dienst nutzen könnten, um z.B. Einbrüche vorzubereiten. Dies sehe ich grundsätzlich jedoch nicht als Problem. Schließlich kann sich jeder Kriminelle mit solchen Plänen auch höchst selbst in die entsprechende Gegend begeben, um diese auszukundschaften. Sollte man den Dienst daher aus diesem Grund verbieten? Übertrieben gesagt müsste man dann auch Handys verbieten, da diese von Kriminellen genutzt werden könnten, um ihre Raubzüge zu koordinieren. Zumal diese heutzutage auch zumeist Kameras enthalten, mit denen ich auch jederzeit alles und jeden relativ unauffällig filmen und fotografieren kann. Allerdings schießen die Google-Kameras die Bilder in einer Höhe (ca. 2,50 m), in der Hecken und Zäune, die als Sichtschutz gedacht sind, umgangen werden. Dies ist sicherlich ungeschickt.
Unsicherheit und mediale Berichterstattung führen inzwischen dazu, dass viele Deutsche ihr Haus inzwischen nicht mehr in Street View sehen möchten. Aber schauen wir einmal genauer hin. Seit 2004 gibt es bereits Google Earth, einen kostenlosen Foto-Globus, zusammengesetzt aus Millionen aus der Luft geschossenen Fotos. Fotos, unter anderem auch von Häusern. Und speziell die Fotos von Deutschland zählen durchaus zu den besseren. Auch hier kann man nach bestimmten Adressen suchen und sich die entsprechende Gegend anschauen. Zugegeben, die Qualität der Fotos ist mit den hochauflösenden Fotos von Street View nicht zu vergleichen und auch die Perspektive ist eine andere. Aber zu sehen sind die Häuser auch hier sehr deutlich. Interessanter Weise hat sich hierüber meines Wissens noch nie jemand wirklich öffentlich aufgeregt.
Aufgrund des großen öffentlichen Aufsehens werden den Bürgern jedoch verschiedene Möglichkeiten angeboten, über die man die Veröffentlichung von Bildern des eigenen Hauses in Street View verhindern kann. Der Deutsche Mieterbund bietet hierfür auf seiner Website ein entsprechendes Formular an. Ab Montag steht zudem unter www.google.de/streetview für vier Wochen (bis zum 15. September, 23.59 Uhr) ein Onlineformular bereit, mit dem Mieter und Hausbesitzer in den 20 Street-View-Städten die Unkenntlichmachung ihrer Gebäude vor der Veröffentlichung beantragen können. Nach dem Start des Dienstes kann dies über den Link "Probleme melden" direkt in Street View vorgenommen werden. Hierüber wird ein Formular geöffnet, über das das Unkenntlichmachen von Gesichtern, Kennzeichen und Gebäuden beantragt werden kann.
Bei all der negativen Berichterstattung wird oftmals vergessen, dass Street View auch durchaus nützlich sein kann. So kann man sich beispielsweise bei der Wohnungssuche oder Urlaubsplanung vorab die jeweilige Gegen schon einmal genauer ansehen. Clevere Geschäftsleute nutzen die Möglichkeiten von Street View, um ihr Geschäft auf diese Weise im Internet zu präsentieren. Hinzu kommt die menschliche Natur, in der eine gewisse Neugier tief verankert ist. Heute lernt man Menschen nicht nur "im Leben", sondern auch bei Facebook kennen. Und das in aller Welt. Per Street View kann man nun schnell und einfach schauen, wie und wo derjenige denn so wohnt. Allein dies mag für viele schon bedenklich klingen. Ich halte es jedoch für den Lauf der Dinge. Es ist eben eine weitere Facette, die einem das Internet bietet, genau wie Onlinebanking oder Onlineshopping. Jeder nutzt das Internet heute, um sich das Leben ein Stück weit zu erleichtern und nach Informationen zu suchen . Ist es dann korrekt, sich selbst hiervon auszunehmen? Bis zu einem gewissen Punkt auf jeden Fall! Die Inhalte von Street View gehören in meinen Augen jedoch nicht dazu.
Der langen Rede kurzer Sinn, wie stehe ich denn nun Google Street View gegenüber? Zusammengefasst, längst nicht so skeptisch, wie die aktuell in den Medien verbreitete und geschürte Meinung. Ich persönlich finde die gesamte Diskussion ohnehin ein wenig schizophren. Da werden auf der einen Seite hemmungslos private Fotos auf Flickr, Videos auf YouTube und Informationen auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken veröffentlicht, aber Fotos von Straßenzügen und Gebäuden werden verteufelt. Grundsätzlich ist eine gewisse Skepsis natürlich durchaus angebracht, ich bin jedoch der Meinung, dass man sich auch neuen Dingen öffnen muss, zumal dies schlicht und einfach zum Lauf der Dinge gehört. In der Generation Internet werden Daten erfasst, damit muss man sich abfinden. Dinge werden digitalisiert, auch damit muss man sich abfinden. Schließlich begrüßen wir auf der anderen Seite viele Dinge, die unser Leben u.a. durch das Internet bequemer und interessanter machen. Ich zähle mich durchaus zur Generation Internet und bin daher vielleicht vielen technischen Dingen gegenüber aufgeschlossener als andere. Datenschutz ist auch in dieser Generation noch wichtig und sollte nie in Vergessenheit geraten. Allerdings verändert sich auch der Datenschutz und man wird diesen Lauf der Dinge nicht aufhalten können. Viel wichtiger ist daher die bereits oben angesprochene Transparenz. Und eben auch die Bereitschaft zu lernen, mit den digitalen Möglichkeiten und auch Gefahren umgehen zu können.
Ich freue mich auf Google Street View.
Kommentare
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iPhonetiker am :
NicK am :
Dawamawas am :
Ich denke auch, dass wir im Laufe der Zeit etwas Umdenken müssen.
Ich freue mich auch auf Street View
meaipe am :
Vielen Dank an Flo für seinen Artikel!
Bella am :
Sehr interessanter Artikel übrigens. Weiter so!
Rubikon am :
Grüße
Tom am :
Der Teil des Textes indem es immer wieder heißt "Damit muss man sich abfinden" ärgert mich aber, denn er bestätig wieder einmal, dass unsere Generation zu einer "Ist halt so"-Generation verkommt.
Flo am :
Holger am :
Reinhard Henkel am :
- der Mieter widerspricht der Veröffentlichung, der Eigentümer legt dagegen Widerspruch ein.
- gleiches Spiel bei einer Wohnanlage, einer widerspricht, allen anderen sind dagegen.
- wie muss der Widersprechende sein Recht Widerspruch einzulegen gegenüber google nachweisen? Mietvertrag, Grundbuchauszug, beglaubigte aktuelle Fassung jeweils? Zu welchem Zeitpunkt - Aufnahme des Bildes oder Veröffentlichung durch google? Kann der Mieter/Eigentümer einen rechtsverbindlichen Widerspruch auch für seine Rechtsnachfolger abgeben (google löscht angeblich die Aufnahme)?
Die Anwälte und Gerichte freuen sich schon ....
Cullen am :
Martin am :
L.K. am :
Schaut doch mal auf www.sightwalk.de
Timo am :
Das google.maps Bild oben ist übrigens keine besonders gutes Beispiel. Die größeren Städte Deutschlands liegen ja in einer solch hohen Auflösung vor, dass man problemlos Dachfenster und Gärten erkennen kann. Auch abgesperte Bereiche, wie zB Firmengelände sind hier zu sehen, im Gegensatz zu google maps.
Street View zeigt ja nur das, was man aus einem Auto (oder sagen wir mal einem höheren Bus) eh erkennen würde.
Bei maps hat man doch viel mehr Gründe sich zu beschweren.
Ich finde beides in Ordnung.
Harry am :
Cemoi am :
Street View an sich finde ich harmlos und in Kombi mit Einspruchsrecht iO; es geht aber darum zu zeigen, dass wir hier in DE nicht alles mit uns machen lassen. Wehret den Anfängen. Derartigen Beispielwiderstand hilft die Sensibilität fürs Thema Datenschutz zu erhöhen und die Entwicklung des gläsernen Bürgers einzudämmen. Von daher finde ich den Widerstand gegen Street View herausragend gut und vorbildlich in der Welt.